Berichte der Praktikanten

Jugend und Parlament 2017

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Vom 27. Bis 30. Mai 2017 erhielt ich von Herrn Holmeier die einmalige Möglichkeit, im Deutschen Bundestag an der Veranstaltung „Jugend und Parlament 2017“ teilzunehmen. Hierbei handelt es sich um ein Planspiel im Rahmen des Parlaments, welches seit 2004 jährlich 315 politisch Interessierten im Alter von 16 – 20 die Chance gibt, in die fiktive Rolle eines Bundestagsabgeordneten zu schlüpfen, dabei Gesetzesvorschläge zu diskutieren und diese schließlich im Plenarsaal des Bundestages zu verabschieden.
Am Nachmittag des 27. Mai wurden wir Teilnehmer von den Betreuern, die in der Bundestagsverwaltung tätig sind, im Paul-Löbe-Haus empfangen und unseren fiktiven Fraktionen, die sehr nahe an die realen Bundestagsfraktionen angelehnt waren, zugeordnet. Alle Teilnehmer erhielten eine umfangreiche Veranstaltungsmappe, welche alle relevanten Informationen zum Ablauf, zur Unterkunft, zu den Rollenprofilen, zu den Fraktionen und zum Planspiel allgemein enthielt.

Das Planspiel

Ab diesem Zeitpunkt hieß ich nicht mehr Martin Löffler. Von nun an war ich Ludwig Decker, 57 Jahre alt, verheirateter Vater von zwei Kindern, Mediengestalter, der in Berlin Marketing studiert hatte und anschließend bei einer bekannten Werbeagentur beschäftigt war. Ich trat der Partei für Engagement und Verantwortung (PEV) im Verlauf meines beruflichen Werdegangs bei, da ich u.a. in deren Bundesgeschäftsstelle für Werbekampagnen tätig war. Anhand der Informationen zu unserer Partei erschloss sich mir, dass unser Parteiprogramm teilweise an das der Grünen/Bündnis 90 und teilweise an das der FDP angelehnt war. Außerdem befürchtete ich, dass wir aufgrund der geringen Anzahl an Mitgliedern es als Fraktion in den Ausschüssen schwer haben würden, unsere parteipolitischen Interessen durchzusetzen. Da wir mit der Partei für Gerechtigkeit und Solidarität (PGS) als Koalitionspartner die Bundesregierung stellten, erwies sich dies jedoch als deutlich einfacher. Des Weiteren war die Bürgerliche Bewahrungspartei (BBP), die größte Fraktion, als Opposition in Erscheinung getreten.
Nach einer Führung durch den gesamten Bundestag durften wir bereits als Abgeordnete auf Fraktionsebene in den echten Fraktionssälen unsere erste Sitzung abhalten. Dabei stellten wir uns zunächst einander vor, und berichteten was uns motiviere, an diesem Event teilzunehmen und welche Erwartungen wir hatten. Anschließend wählten wir eine Fraktionsvorsitzende und einen Fraktionsvorsitzenden, die zusammen unsere Sitzungen in den nächsten Tagen leiteten. Danach wurden wir, passend zu den vier zu diskutierenden Themen des Planspiels, in Arbeitsgruppen eingeteilt, die später in den verschiedenen Ausschüssen die Fraktion vertraten. Ich gehörte dem Ausschuss des Verbraucherschutzes und dem Arbeitskreis der Verbesserung des Tierschutzes in der Landwirtschaft an.

Der ganze Prozess lief folgendermaßen ab:
Zu jedem Thema wurde ein Gesetzesentwurf formuliert, der die bestehende Gesetzgebung ändern sollte. Der Entwurf stammte, je nach Thema, von der Bundesregierung, vom Bundesrat, oder auch von einer Gruppe überparteilicher Abgeordneter. Im Team wurden wir uns erst einmal untereinander bewusst, was dieses Thema beinhaltete, wie wir als Fraktion zum Gesetzentwurf stehen und welche Änderungen wir gegebenenfalls vornehmen möchten.

Martin Löffler mit MdB Karl Holmeier im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
Martin Löffler mit MdB Karl Holmeier im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
Martin Löffler mit MdB Karl Holmeier am Rednerpult im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.
Martin Löffler mit MdB Karl Holmeier am Rednerpult im Plenarsaal des Deutschen Bundestages.

Der Tierschutz wurde zu diesem Zeitpunkt gesetzlich folgendermaßen gehandhabt:
Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen und Entnehmen oder Zerstören von Geweben eines Wirbeltieres, wenn nicht durch einen Tierarzt eine medizinische Indikation festgestellt wurde. (Ausnahmen!)
Der neue Gesetzentwurf, den wir als Bundesregierung einbrachten, sah vor, dass alle zulässigen Eingriffe, die das Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres beinhalten, nur nach Erlaubnis der zuständigen Behörde oder eines Tierarztes durchgeführt werden, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn glaubhaft dargelegt wird, dass der Eingriff im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung zum Schutz der Tiere unerlässlich und nicht haltungsbedingt verursacht ist. Zudem ist sie zu befristen.
Außerdem sei die Kastration männlicher Nutztiere aller Arten lediglich unter Beigabe von Betäubungsmitteln erlaubt.
Am letzten Tag der Veranstaltung erfolgte das größte Ereignis: Die Sitzung im Plenarsaal!

Jede Fraktion stellte zu jedem Thema Redner, deren Redezeiten proportional zur Größe der Fraktion in Relation zur Gesamtabgeordnetenzahl standen. Das hieß: Wir mussten in kurzer Zeit unsere Argumente schlagfertig und kompakt an die Frau oder an den Mann bringen. Am Ende wurde wieder demokratisch per Handzeichen abgestimmt. Da die BBP als größte Fraktion die Opposition bildete, waren die Ergebnisse der Abstimmungen alles andere als eindeutig. Teilweise waren Gegenstimmen bzw. Enthaltungen innerhalb der eigenen Fraktion entscheidend. So wurden Gesetzesentwürfe teils nach unseren Interessen, teils jedoch auch dagegen geändert.

 

Eine unglaubliche Erfahrung

Insgesamt haben diese vier Tage enormen Spaß gemacht, ich lernte viele neue Leute kennen, von denen bereits viele politisch engagiert sind und man konnte sich in die Rolle eines Abgeordneten hineinversetzen. Mehrere Stunden konzentrierter Arbeit, aufregender Debatten und impulsiver Reden hinterließen bei uns Teilnehmenden einen enormen Eindruck. Letztendlich verabschiedete uns der Bundestagspräsident, Prof. Dr. Norbert Lammert, der uns mit auf den Weg gab, dass Politik ein Prozess sei und nicht an einem Tag entschieden werden könne. Kompromissbereitschaft sei Voraussetzung, um erfolgreich zu sein, dennoch sei es genauso wichtig, zu seinem Standpunkt zu stehen und diesen versuchen, mit Argumenten durchzusetzen. So hätte jeder die Chance, von Entscheidungen profitieren zu können.
Abschließend möchte ich mich bei Herrn Holmeier für die Nominierung bei Jugend und Parlament 2017 recht herzlich bedanken, ich konnte unwahrscheinlich viel an Erfahrung dazugewinnen.